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Stoll und Robinson

Zwei Gedanken zum regnerischen Samstag – und während ich das nächste Uni Seminar vorbereite.

Was haben wir die letzten 15 Jahre gemacht?

Sir Ken Robinson: „Do schools kill creativity?“ [2007]

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Clifford Stoll: “ über … alles“ [2008]

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Und der Talk von Stoll hat mich an sein Buch von 1999 erinnert. Sicher nicht mehr ganz zeitgemäß in seinen technologischen Beschreibungen – aber dem Gedanken nach durchaus zumindest beachtenswert in einer Zeit, wo wir alle Schulen flächendeckend ab der 2 Klasse mit Computern flastern.

Clifford Stoll: „LogOut: Warum Computer nichts im Klassenzimmer zu suchen haben und andere High-Tech-Ketzereien“
(nur noch im gut sortiertem Antiquariat zu erhalten).

Das Smartphone

Jöran Muuß-Merholz versucht sich an einer zeitgemäßen Definition von dem, was wir oft einfach so „Smartphone“ nennen – zwischen Science-Fiction und Zauberei.

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Gedanken zum Umgang mit der aktuellen Situation

Ich habe das Gefühl, dass derzeit viele Menschen – auch im Kontext Schule – erfolgreich verdrängen, dass alles, was wir gerade tun, möglicherweise (bzw. fast sicher) noch 1,5 Jahre anhalten wird.
Denn es scheint nur zwei Strategien zu geben, wie wir mit der Pandemie umgehen können:

  1. Es wird ein Impfstoff gefunden und er kann relativ zeitnah nach seiner Entwicklung für alle verfügbar gemacht werden. Zeithorizont für diese Entwicklung ist wohl ~18 Monate. Dauert also noch.
  2. Eine radikale Containment-Strategie, die das Ziel hat, den Virus komplett kontrolliert im Schach zu halten und die alle Infektionsketten verfolgt und stilllegt. Davon haben wir uns in NRW gerade mit den „Lockerungen“ verabschiedet. Das wird wohl nichts mehr.

Demnach bleibt eigentlich nur Punkt 1., also das Warten auf den Impfstoff. Und das dauert. Es wird keine so genannten „Normalität“ in den nächsten 18 Monaten geben. Dieses und das kommende Schuljahr werden also unter besonderen Bedingungen laufen.
(Und ob und wie diese besonderen Bedingungen dann Teil einer Normalität nach Corona werden, wird sich zeigen. Ich glaube, ein „so wie vorher“ wird es so schnell nicht geben.)

Ich halte es daher für fahrlässig, wenn wir nun alle zwei Wochen neue Maßnahmen verkünden und dabei still und heimlich hoffen, dass es bis zur nächsten Verkündigung vielleicht alles vorbei sein wird. Wird es nicht.

Es macht jetzt Sinn, sich hinzusetzen und zu überlegen, wie eine mittel- bis langfristige Strategie aussehen könnte, um „Schule“ unter diesen besonderen Bedingungen zu gestalten. Die „Digitalisierung“ der Schulen steht ja durch den DigitalPakt eh im Fokus.

Bereits seit fünf Wochen (inkl. Osterferien) haben wir jetzt diese „besondere Situation“. Und es wäre Zeit gewesen – oder ist es jetzt erst Recht – sich mit den Problemen auseinander zu setzen, unter denen die meisten Schulen leiden.
Ich möchte zwei Ebenen unterscheiden: Die didaktische und die technische.

Didaktisch:

Die Aufgabenformate, die wir etabliert haben, basieren auf der Arbeit im Klassenzimmer. Und die einfache Übertragung in einen virtuellen Lernraum offenbart in vielen Fällen, wie unpraktisch (und anachronistisch) die sich daraus ergebenen Wege sind. Arbeitsblätter verschicken, ausdrucken, ausfüllen, einscannen (oder photographieren) und dann wieder zurück schicken, damit sie erneut ausgedruckt, korrigiert, eingescannt (oder photographiert) und verschickt werden können… Das kann es nicht sein.

Wir müssen klären, welche Aufgabenformate bzw. welche Projektformen unter den neuen Bedingungen möglich sind. Rahmenbedingung: Die Formate müssen sowohl im Präsenzunterricht in der Klasse wie auch im Remote-Lernen im virtuellen Lernraum umsetzbar sein.

Und wir müssen uns über Klausuren, Arbeiten, Notengebung und Prüfungen Gedanken machen. Wie sieht eine handhabbare Strategie aus, die in diesem und im nächsten Schuljahr umsetzbar ist? Brauchen wir eine Klausur pro Quartal? Oder drei Klassenarbeiten pro Halbjahr? Wie sieht eine „SoMi“-Note bei der Nutzung von Google Classroom, iServ etc. aus?

Technisch:

Im letzten Absatz wurde schon deutlich: Wir brauchen eine verpflichtende Lernplattform an allen Schulen. Es muss keine einheitliche sein, aber es muss Vorgaben geben, dass eine Plattform für den Austausch zwischen Lehrer_innen und Schüler_innen gegeben sein muss. Es kann und darf doch nicht sein, dass auch im Jahr 2020 noch Schulen ohne digitale Kommunikations-Infrastruktur dastehen.

Es gibt viele Lerrnplattform-Angebote, jedes Bundesland hat seine eigene Bildungs-Cloud, der Bund auch. Dann gibt es noch die freien Anbieter. Es mangelt nicht an Möglichkeiten, sondern an dem (politischen) Gestaltungswillen, gegen all die Bedenken um Datenschutz, Urheberrecht & Co. eine klare Entscheidung zu treffen.

Warum haben wir in den letzten Woche nicht unendlich Ressourcen auf LOGINEO geschmissen und es per Erlass als Austauschplattform in NRW festgesetzt und den sofortigen Zugang für alle Schüler_innen kostenfrei für die Kommunen ermöglicht? Oder – wenn das nicht geht – einen anderen Anbieter ausgewählt, der sich dazu in der Lage sieht? iServ, its-learning oder gar die Bundes-HPI-Cloud? Klar, gerade im letzten Fall würde es heftigen Gegenwind geben (→ PM von iServ), aber die aktuelle Situation ist auch nicht tragbar.

Wir haben Schulen im Land, die legen den Eltern Stapel von kopierten Arbeitsblättern in den Schulflur, sodass sich die Eltern dort bedienen können und die Arbeitsblätter später dann in den Briefkasten wieder abgeben können. Das ist ok – und ich verurteile das nicht. Es ist eine kreative und pragmatische Lösung unter den gegebenen Bedingungen.
Nur: Wenn diese Bedingungen für die nächsten 1,5 Jahre absehbar eine „Normalität“ sein werden: Sollten wir dann nicht überlegen, daran etwas zu ändern.

Statt die Schulen jetzt im Hau-Ruck Verfahren zu öffnen und sich auch (oder: vor allem?) den ökonomischen Interessen zu beugen, warum nutzen wir die Zeit bis zu den Sommerferien nicht für die Bearbeitung folgender Fragen:

  1. Welche Aufgabenformate lassen sich in physischen und virtuellen Lern-Räumen gleichwertig umsetzen? Bzw. wie können diese nebeneinander bestehen und sich gleichwertig substituieren.
  2. Wie gestalten wir die Notengebung?
  3. Wie gehen wir im nächsten Schuljahr mit den Prüfungsordnungen und Lehrplänen um?
  4. Welche Lern-Umgebung wird allen Schulen zur Verfügung gestellt?

Idee: Wir nutzen die kommenden zwei Monate, um Schulen, Lehrer_innen und Unterricht halbwegs fit zu machen für das virtuelle Lernen. Und starten dann in Ruhe und mit Konzept in das kommende Schuljahr.

Wenn die obigen Fragen geklärt sind, ist es kein Problem für das Lehr-Lern-Setting, wenn sich Phasen der Präsenz und des Online-Lernens abwechseln. Das kann sogar kurzfristig geschehen (wobei ich jetzt nur die Perspektive auf den Lehr-Lern-Prozess habe und nicht die Betreuungssituation einbeziehe!).

Maik Rieken hat sich auch darüber Gedanken gemacht. Sehr pragmatisch. Lesenswert.

Die aktuelle Situation ist einmalig. Es ist eine echte Ausnahmesituation. Und es ist wichtig, dass man zuerst einmal auf Sicht fährt. Das haben wir jetzt ein paar Wochen getan und können langsam den Kopf erheben und etwas weiter schauen. 18 Monate sind eine lange Zeit. Ich hoffe, wir nutzen unsere Kreativität, um die „Schule“ in der aktuellen Situation so zu gestalten, dass sie ihrem Bildungsauftrag gerecht wird. Dies geschieht nicht durch Abwarten und die Rückführung in eine scheinbare „Normalität“ von geöffneten Schulen, sondern indem wir realisieren, dass dies ein längerer Zustand wird und diesen gestalten.

Axel Krommer über die „palliative Didaktik“

Der folgende Text stellt den Versuch dar, den aktuellen Diskurs über zeitgemäße Bildung aus einer kulturhistorischen Perspektive zu beleuchten. Es soll zumindest in Ansätzen gezeigt werden, wie Medien als gesellschaftliche und kulturelle Formen zentrale Konzepte wie Wissen und Lernen prägen und warum Prozesse der Schulentwicklung so quälend langsam sind.

Leseempfehlung: https://axelkrommer.com/2019/04/12/paradigmen-und-palliative-didaktik-oder-wie-medien-wissen-und-lernen-praegen/