Twitter – was solls

Hin und wieder stelle ich mir die Frage, ob das, was ich tue, das Richtige ist. Und deshalb stehen auch die verschiedenen SocialMedia Tools periodisch immer wieder mal auf dem Prüfstand. Facebook und WhatsApp haben dem nicht standgehalten und wurden vor einigen Monaten abgeschaltet: Zu wenig „Nutzen“ für zu viel Rauschen.

Und Twitter? Hier ist die ganze Gemengelage irgendwie komplexer. Mich begleitet der Dienst immerhin seit fast 9 Jahren (#uff). Und so leicht macht man es sich da nicht.

Dennoch hab ich heute Morgen folgendes getwittert:

Ist das hier nicht irgendwie in den letzen Jahren zu einer lauten Ausmerksamkeitsschleuder verkommen? Brauchen wir Twitter noch?
— Felix Schaumburg (@schb) 15. Januar 2017

… worauf eine spannende Diskussion entstanden ist.
Einen etwas längeren Gedanken hat @blume_bob auf seinem Blog bobblume.de veröffentlicht: „Brauchen wir Twitter noch?“.

Auch wenn gerade diese Diskussion ein gutes Beispiel für den Nutzen von Twitter ist (man kommt in einen schnellen Austausch [Neuronenmetapher lässt grüßen]) bleibt bei mir ein komisches Gefühl. Warum?

Twitter war für mich in den Anfangstagen ein Segen. Ich habe mich nach der Uni an der Schule oft „alleine“ gefühlt und war froh, über den Micro-Blogging Dienst schnell Kontakte zu knüpfen, die sowohl das wissenschaftliche Denken weiter gefördert haben – aber auch neue Theoriemodelle entstehen ließen.

Drei Beispiele:
Die Diskussionen mit @filterraum und @jeanpol u.a. über Luhmann und die Systemtheorie waren großartig und energiespendend. Von @lisarosa habe ich den Leitmedienwechsel übernommen, der ja auch ein zentrales Thema meines alten Blogs geworden ist (edushift.de). Und mit @scheppler, @tommdidomm et al wurden Tipps zur „digitalen Lehrertasche“ ausgetauscht und Motivationen ausgesprochen, es nicht aufzugeben und weiter zu probieren.
Alle Strömungen sind in die EduCamps eingeflossen und haben sich so vom Digitalen bis in die kohlenstoffliche Welt vernetzt.

Und nicht nur auf den EduCamps… Auch darüber hinaus sind Freundschaften entstanden, die viele Projekte ermöglicht haben. Ob Podcasts, Kaffee & Kuchen oder Whitepaper, Urlaube am Plauer See und Edersee, die Bierproben aus dem Nürnberger Land oder diverse Konferenzen und Vorträge – alles ohne die ursprüngliche Vernetzung über Twitter kaum denkbar.

Das war eine tolle Zeit.

Nicht nur für die kleine Filterblase der Bildungsneuronen bzw. „digitalen Lehrern“, sondern generell war bei Twitterern ein utopischer Überschuss (via Schulmeister, ab Minute 22:45) vorhanden. Wenn nur alle erstmal Twittern würden und sich austauschen, diskutieren und ein Wettstreit der besten Ideen entsteht, an dem alle teilnehmen können, dann kann es doch nur besser werden. So dachten wir. Damals.

Wir haben nicht bedacht, dass es nicht das Tool war, das Twitter ausgemacht hat, sondern ein Typus von Mensch. Mit der zunehmenden Popularität des Internets und damit auch von Twitter, haben sich die Dinge geändert…

Will und kann ich Mitglied bei einem Dienst sein, der vor allem für die Aufmerksamkeitsspiralen von Trump, AfD und Brexit genutzt wird – um nur ein paar Große zu nennen (es gibt dazu unsäglich viele kleine erschreckend tendentiöse Geschehnisse, die sich täglich in den Timelines finden). Sicher kann ich stummschalten, blockieren etc. Aber ich bin und bleibe ein Teil der Millionen Nutzer, die als Referenz für die Bedeutung irgendwie doch herangezogen werden.

Auch wenn meine Timeline relativ gesittet ist (jeder ist seiner eigenen Timeline Schmied…), so bleibt ein mulmiges Gefühl.


Eine zweite Ebene ist das Verhältnis von Zeit und Nutzen. Früher – ich weiß aktuell nicht, ob ich dies an einem Jahr festmachen könnte – habe ich von Twitter direkt profitiert. Nicht rein utilitaristisch als Kosten-Nutzen-Ergebnis, sondern als erfrischendes Element im Alltag. Wie oben ja schon in dem kurzen Rückblick angedeutet, sind aus Twitter heraus und um Twitter herum einige wunderbare Dinge entstanden.

Und in den letzten Jahren? Zunehmend weniger. Twitter ist vor allem noch Ablenkung und Zerstreuung. Und – positiv – ein Prozess der Beobachtung, wie sich Ideen nach und nach durchsetzen, von anderen rezipiert und neu gedacht werden und emergieren.

Aber vollends zufrieden bin ich mit Zeit/Nutzen nicht mehr.

Wenn ich die Stunden, die im Laufe eines Monats in Twitter landen, zum Lesen und Bloggen nutzen würde, wäre das nicht angebrachter (Danke für dem Impuls via DM, @friederk)?. Und wenn nicht nur ich das machen würde, sondern das Bloggen bei vielen Anderen wieder etwas mehr in den Fokus rücken würde? Wenn wir wieder Gedanken formulieren würden, Praxis reflektieren, Geschichten erzählen, Bastelabende dokumentieren… Das ist doch viel nachhaltiger und spannender als sich wieder und wieder über einen Tweet von populistischen Aufmerksamkeitsmagneten mit Persönlichkeitspathologie aufzuregen.

Twitter muss auch gar nicht weg gehen. Es ist die Frage, wie ich es nutze. Und welche Hoffnungen ich hinein projiziere. Und gerade letzte muss ich wohl korrigieren.


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