Fast wie das Henne – Ei Problem finden wir in vielen Diskussion über die Einführung von „neuen“ Technologien an der Schule die Frage:
Wie verhält es sich mit der Fortbildung und der Medienausstattung? Geht das nur Hand in Hand – oder muss zuerst der Einsatz geklärt und fortgebildet sein, bevor die Geräte angeschafft werden?
Oft hört man dann: „Keine Geräte ohne Fortbildung.“ Was erstmal plausibel klingt und Zustimmung erhält, funktioniert auf den zweiten Blick nicht mehr richtig. Leider ist das nämlich mit dem Internet und der Digitalisierung etwas anders. Das „Internet“ kann man nicht nur fortbilden, sondern man muss es erleben. Man muss mit und in den digitalen Welten leben und sie für sich selber entdecken. Das Internet ist nicht nur ein besseres Buch oder ein besserer Füller: Es ist ein gänzlich neues Medium mit neuen Möglichkeiten1. Und wenn man auf einem Workshop bei Lisa Rosa das Bloggen lernt, dann muss man es in der Schule auch einsetzen können – ohne besonderes Arrangement.
These: Medienbildung an Schulen ohne Geräte, ohne schnelles Internet und das überall ist wie Schwimmen lernen ohne Schwimmbad.
Ich verstehe nicht, warum immer wieder die Forderung aufkommt, dass man die Lehrenden doch zuerst (oder zumindest sofort) fortbilden müsse, damit sie die Technologien auch sinnvoll im Unterricht einsetzen können. Lernen wir auch schon Laufen, bevor wir die ersten Schritte tun?
Nein, wir lernen es, indem wir es tun. Und dazu gehört hinfallen, neu probieren und es irgendwann halbwegs auf die Reihe bekommen. Und daher muss die Infrastruktur an den Schulen zuerst einmal geschaffen werden. WLAN überall, digitale Verwaltungsabläufe, interne Kommunikation, Absprachen, Stundenpläne, drahtloses Drucken und Kopieren, BYOD, schnelles Netz.
Wenn das steht und läuft und die Lehrenden es als „Normalität“ erleben, werden sie es auch viel selbstverständlicher in ihrem Unterricht einsetzen.
Deshalb bitte die Infrastruktur fördern und dann, im nächsten Atemzug, die Möglichkeiten durch erlebte Praxis (aka „FoBi“) aufzeigen. Das darf nicht vergessen werden, ist aber auch selbstverständlich. Wenn dann das Schwimmbad da ist, können sich alle in ihrem eigenen Tempo an das Wasser gewöhnen. Ohne Schwimmbad bringt es nichts, wenn ich den Menschen das Schwimmen beibringe.
Man könnte einwenden: Zuerst die Technik anschaffen, dann erst fortbilden. Das haben wir vor Jahren doch auch schon gemacht. Und nun steht die Technik unbenutzt und unbrauchbar im Keller. Wer schützt uns vor einer neuen Fehlinvestition?
Das kann wieder passieren. Klar. Allerdings glaube ich, dass wir in einer anderen Zeit leben, als noch vor 5–10 Jahren. Der technologische Fortschritt schreitet weiter voran, und viele Technologien sind inzwischen so ausgebaut, dass sie als „stabil“ gelten können. Unsere Rechner heute sind oft mehr als 6 Jahre alt – und funktionieren hervorragend. Das hätte es vor 5 Jahre noch nicht gegeben. Auch das WLAN ist mit dem 802.11n Standard inzwischen so weit, dass es wahrscheinlich auch in 6 Jahren noch laufen wird – bis die Geräte eh abgeschrieben sind. Es ist also heute weit weniger ein Risiko, auf eine Technologie zu setzen, als noch vor ein paar Jahren. Die Produkte werden alle über ihre gesamte Nutzungszeit ausreichend schnell genug sein und nicht vorher veralten.
Daher: Mut bei der Medienausstattung der Schulen. Wir sollten ein Umfeld schaffen, damit der Medieneinsatz zuerst bei den Lehrenden Normalität werden kann. Wahrscheinlich schaffen wir es nur so, dass auch die Digitalisierung in der Schule irgendwie so etwas wie „normal“ und alltäglich wird.
Oder liege ich da falsch?
- Siehe auch: Schulreform von innen – oder außen? ↩︎
Naja, das Internet nutzen kann man auch als Lehrer am besten außerhalb der Schule lernen, denn da funktioniert es schon 😉
Und wer es nur für den Unterricht (fürs Lernen der Schüler) und nicht in erster Linie für sich selbst zum Lernen einsetzen kann, kann es dann auch nicht, wenn das WLAN in der Schule angekommen ist. Denn er hat gar nicht verstanden, dass es selbst zum Lernen gebrauchen zu können, die Bedingung dafür ist, damit sinnvoll zu unterrichten.
Genau. Und deshalb muss ‚das Internet‘ erstmal in der Schule sein, damit man selber zum Lerner wird, wenn nämlich die organisatorischen Prozesse nach und nach digital werden – oder digital ein Vielfaches einfacher. Auf diese Weise entdeckt man, dass es weitaus mehr sinnvolle Tools gibt als nur WhatsApp (das man natürlich bisher schon von zu Hause kannte).
Ja, aber. Man kann nicht ohne Wasser schwimmen lernen, aber ohne schwimmen zu können, kann man im Wasser ertrinken. Ich bin öfters im Schüleraustausch in Israel an einer Schule, in der es weder Handyverbot noch sinvolle Integration der Geräte in den Unterricht gibt. Das wird von mir und sogar von meinen Schülern als sehr anstrengend empfunden. Da muss man aufpassen, sonst heißt es schnell wieder „die daddeln ja nur“. Parallel Fortbildung und Ausstattung wäre halt schön – am besten Ersteres als Bedingung für Letzteres. Aber im Zweifel stimme ich dir schon zu: Wenn z.B. erstmal WLAN in jedem Klassenzimmer ist, werden viele Lehrer es nutzen (in der Art wie sie es kennen), sich daran gewöhnen und dann (evlt. auch durch den Anspruch der Schüler) offen für mehr sein. Dieses „mehr“ muss dann aber auch gezeigt werden. Abgesehen von den Klassenzimmern sind dabei aber die von dir angesprochenene „digitalen Verwaltungsabläufe“ ganz entscheidend. Die vom Sekretariat ausgedruckten eMails werden durch das WLAN in den Klassenzimmern nämlich nicht automatisch durch ein schulinternes Wiki o.ä. ersetzt. Wenn die Verwaltung keine Ahnung hat, wie moderne Arbeitsabläufe aussehen, wird sie diese nicht umsetzen.